Für eine Renaissance der Industrie – Industrieakzeptanz ist kein Selbstläufer

Während ganz Europa 2012 unter den Folgen der Euro-Krise ächzt, hat sich die deutsche Wirtschaft in den meisten Bereichen noch prächtig geschlagen. Unsere europäischen Nachbarn beneiden uns um unsere starke Industrie, die wesentlich dafür verantwortlich ist, als Klassenbester in Europa von dem weiter anhaltenden Aufschwung in wachstumsstarken Ländern zu profitieren und die Schwächen der Euro-Region aufzufangen. Das ist eine Renaissance der Industrie.

Nach der Jahrtausendwende schien Deutschland in kurzer Zeit zu einem reinen Dienstleistungsstandort werden zu sollen, wäre man den vielen Protagonisten der Wirtschaft gefolgt. Die Dienstleistungs- und Finanzbranche sei der Heilsbringer für die Zukunft, so deren Tenor. Diese Vorschusslorbeeren haben sich jedoch recht schnell als falsch erwiesen. Denn ohne einen gesunden produzierenden Sektor funktioniert eine Volkswirtschaft nicht. Das lässt sich gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wie momentan feststellen. Während unsere Industrieproduktion mit dem typisch deutschen breiten Mittelstand noch über 25 Prozent des Sozialproduktes erbringt, erreichen unsere Nachbarländer hiervon teilweise nicht einmal die Hälfte.

Diese Fakten unterstreichen, dass Industrie und Mittelstand für unsere Zukunft unverändert wichtig sein werden. Es wäre deshalb zu wünschen, dass diese Erkenntnis auch bei den Politikern und vor allem in der Öffentlichkeit ankommt.

Damit würde die Akzeptanz steigen, für eine starke Industrie in Deutschland auch eigene Opfer zu bringen. Nehmen wir das Beispiel der geplanten Ausweisung eines Gewerbegebietes. Bei der reinen Ankündigung der Erschließung neuer Produktionsstandorte reagieren die meisten Bürger zunächst gleichgültig. Soll das Industriegebiet jedoch in unmittelbarer Nähe zum eigenen Wohnort liegen, dreht sich die Einstellung der betroffenen Einwohner rasant und 90 Prozent wehren sich – meist leidenschaftlich – gegen die geplante Neuerschließung. Damit schaffen die Bürger eine vergiftete Atmosphäre und die Politik ist gefordert, regulierend und schlichtend einzugreifen.

Die Politik gliedert sich bezüglich der Industrie meist in zwei Gruppen: Diejenigen, die ohnehin industriefeindlich sind, und diejenigen, die grundsätzlich die Industrie für wichtig halten. Allerdings zählen auch zur zweiten Fraktion Politiker, in deren Wahlkreisen die Erschließungsmaßnahme geplant ist und die daher die Sorgen und Nöte der Anwohner bezüglicher neuer Industriegebiete berücksichtigen müssen. Schließlich will man wiedergewählt werden.

Hier und nur hier ist der Ansatzpunkt für eine tragfähige industriefreundliche Politik zu finden. Politiker, die der gleichen Partei angehören, müssen ihre Fraktions- und Parteikollegen stützen, die in den betroffenen Gebieten ihre Wähler haben. Sie müssen dulden, dass die Fraktionskollegen eine andere Auffassung vertreten, gleichzeitig aber die Vorhaben konsequent umsetzen. Denn nur so lassen sich in Deutschland die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Industrie aufrechterhalten.

Sollte uns dies nicht gelingen und Deutschland auf diese Art und Weise zu einem industriefreien Standort degenerieren, werden die oben beschriebenen Vorteile uns in zukünftigen Krisen nicht mehr stützen. Dies sollte Warnung und zugleich großer Antrieb für uns sein.

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