Schlechte wirtschaftliche Lage führt zu überhöhten Unternehmenswerten – Geldpolitik stört die Bewertungspraxis

In der Unternehmensbewertung spricht man häufig von einem „magischen Dreieck“ – Rendite, Wachstum und Risiko. Dieses Verhältnis scheint in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise aus den Fugen geraten zu sein.

Ein wichtiger theoretische Ansatz (weit verbreitet, aber nicht unumstritten) geht davon aus, dass der Unternehmenswert aus den zukünftigen Überschüssen des Unternehmens ermittelt wird, in Verhältnis gesetzt zum Risiko, welches eine solche Investition in sich birgt. Dieser Ansatz wird ergänzt durch die These, dass das Risiko aus dem Ertrag einer risikolosen Anlage sowie einem risikoadäquaten Zuschlag ermittelt werden kann. Hierbei wird der risikolose Zins erheblich durch die Geldpolitik beeinflusst.

Als die Geldpolitik früher zumeist noch ein Schattendasein im Bereich Wirtschaftspolitik führte, war die Welt hinsichtlich unserer Bewertungstheorie noch in Ordnung.

Seit sie nach Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise zunehmend auch konjunkturpolitische Ziele verfolgt, werden die geldpolitischen Maßnahmen und die daraus sich an den Märkten bildenden Zinsen für die Bewertungspraxis zunehmend problematisch. Heute scheint die erste Aufgabe der Europäischen Zentralbank darin zu bestehen, eine weitere Verschlechterung der Konjunktur in den Südländern zu verhindern. Nur so lässt sich erklären, dass der Zentralbankzins bewusst so niedrig gehalten wird, wie er jahrzehntelang nicht war – und dies zu einer Zeit, in der Zinssteigerungen in Deutschland durchaus vorstellbar wären. Die Europäische Zentralbank trägt also mit ihren Zinsentscheidungen dazu bei, dass Unternehmenswerte momentan höher ausfallen, als es bei höheren Zinsen der Fall wäre.

Dies ist aus Sicht der Bewertungspraxis ein Absurdum. Warum soll in einer Krise der Wert eines Unternehmens höher sein als zu Zeiten einer florierenden Wirtschaft? Bewertungen nach den derzeitigen Regeln können zu überhöhten Werten führen.

Dieser Problematik müssen sich die Unternehmer annehmen. In den Gesellschaftsverträgen der Unternehmen steht nämlich häufig, dass die Abfindungsguthaben nach Wertgutachten berechnet werden, die unter Berücksichtigung der bekannten Grundsätze der Unternehmensbewertung (Standard IDW S1) ermittelt werden.

Zuvorderst aber sind die Standardsetter für Unternehmensbewertung aufgefordert, die geänderten Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und die Bewertungsstandards so zu ändern, dass für anstehende Bewertungen ein der wirtschaftlichen Situation jeweils adäquater Zins herangezogen wird.

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